Swiss League: Noch vier Teams sind übrig

Morgen Abend beginnen in der Swiss League die Playoff-Halbfinals. Seit Freitagabend wissen wir, welche vier Mannschaften noch übrig sind. Wer wird nun Meister? Thurgau, Langenthal, Olten oder La Chaux-de-Fonds?

In einem dramatischen Finale hat es der HC Thurgau nach 21 Jahren erstmals wieder in die Playoff-Halbfinals geschafft. Im siebten Spiel bezwangen sie Favorit Ajoie mit 2:1. Sinnbildlich gab es auch in dieser Partie wenig Tore, wenig Chancen und ein nur blasses Ausländerduo beim HC Ajoie. Auf desktopstories.ch analysieren wir nun die vier Halbfinalisten und versuchen den Kaffeesatz zu lesen. Wer gewinnt den Titel? Thurgau, Langenthal, Olten oder La Chaux-de-Fonds? Hier kommen fünf Thesen:

Tim Wolf mit der Nummer eins ist kein Meistertorhüter

La Chaux-de-Fonds: Tim Wolf ist kein Meistertorhüter
Es ist schwierig den Qualifikationssieger einzuschätzen. Nach nur vier Playoff-Begegnungen haben sie die EV Zug Academy, wenn auch teilweise mit etwas Glück, ohne Niederlage bezwingen können. Sich gegen das harte, gut organisierte Team von Jason O’Leary ohne Makel durchzusetzen, war keine leichte Aufgabe. Dass die Neuenburger dabei auch noch 4,5 Tore pro Spiel erzielten und 35% der Powerplay-Chancen ausnutzten, lässt aufhorchen. Das unterstreicht, dass der HCC vor allem in der Offensive seine Stärken hat. 
Ein Problem hat der HCC. Mit dem verletzungsbedingten Ausfall von Torhüter Christophe Bays steht nur noch Tim Wolf zur Verfügung. Der ehemalige ZSC-Junior hat für die nächste Saison in Ajoie unterschrieben, nachdem er von Bays in dieser Saison auf Anhieb verdrängt wurde. Wolf ist ein souveräner, aber keinesfalls überragender Torhüter. Oder anders gesagt: Er ist kein Meistertorhüter. Man kann mit ihm Meister werden, er trägt aber keine Equipe zum Meistertitel. Das können in dieser Liga aktuell nur Simon Rytz vom EHC Olten und Philip Wüthrich vom SCL. Ob Bays noch in dieser Saison sein Comeback gibt ist nicht sicher, Informationen über seinen Zustand werden in der «Les Mélèzes» streng geheim gehalten. Ohne ihn, wird der HCC aber nicht Meister.

Nicolas Aeberhard (links) hat gegen den HC Ajoie in sechs Spielen überzeugt

HC Thurgau: Besserer Torhüter und Sieg im Spiel 1
Dass der HC Thurgau die Viertelfinals überstanden hat, liegt auch am 23 Jahre jungen Keeper Nicola Aeberhard. Mit einer Fangquote von über 94 Prozent hat er immerhin 180 Schüsse des Gegners entschärft. Nach dem ersten Spiel wurde er für Jannick Schwendener eingesetzt, seither musste er seinen Platz nicht mehr räumen. Im Direktvergleich wird er gegen Tim Wolf überzeugen. Thurgau kann davon ausgehen, dass es die besseren Torhüter auf der eigenen Seite hat.
Daneben hat Thurgau in der morgen startenden Begegnung einen weiteren Vorteil: Nach dem Sieg vom Freitag sind sie im Flow, gestärkt von Selbstvertrauen. Dieses wird sie am Sonntag gleich zum ersten Sieg tragen, weil La Chaux-de-Fonds erst zu spät warm läuft und dann den Maierschen Abwehrriegel nicht mehr genügend oft knacken kann. Damit ist die Serie aber nicht entschieden. La Chaux-de-Fonds ist nicht nur ausgeruhter sondern auch breiter aufgestellt. Obwohl Cody Wydo immerhin 10 Punkte in sieben Partien gesammelt hat, sind mit Daniel Carbis (7 in 4) und Timothy Coffmann (5/4) die besseren Skorer auf der Gegenseite, allgemein sind die Einzelkönner beim HCC stärker einzuschätzen. Über maximal sieben Spiele dürfte La Chaux-de-Fonds besser sein, auch weil Thurgau von diesem Grosserfolg vielleicht etwas gesättigt sein könnte. Vielleicht überraschen die Ostschweizer aber noch ein zweites Mal – ihrem Trainer Stephan Mair ist vieles zuzutrauen.

Tim Bucher (rechts) wird versuchen den defensiven Wahnsinn zu limitieren.

EHC Olten: Offensiver und defensiver Wahnsinn bringt Spektakel
Gegen Visp hat sich der EHC Olten höchstens warmgelaufen, den Zenit haben die Dreitannenstädter noch nicht erreicht. Der SC Langenthal, der in den Viertelfinals die beste Abwehr stellte, muss sich gefasst machen. Olten ist ausgeruht – und für das eigene Spielsystem ist das ein grosser Vorteil. Die Flucht nach vorne entfacht zuweilen einen offensiven Wahnsinn, dem man sich nur schwer entgegenstellen kann. Weil dadurch aber auch hin und wieder die Verteidigung vernachlässigt wird, kann der Gegner ebenso auf defensiven Wahnsinn hoffen.
Dass der EHC Visp nicht chancenlos war, zeigt dass dies auch der SCL nicht sein wird. Aber: Es unterstreicht auch, dass Simon Rytz im Tor überzeugen konnte. Gemeinsam mit Matthias Mischler haben die Oltner das beste Torhüterduo der Liga, weshalb selbst der defensive Wahnsinn im für den EHCO besten Fall, ihnen nichts anhaben kann. Mit Cason Hohmann (zwei Punkte pro Spiel) haben sie ausserdem den besten Playoff-Skorer, gerechnet auf die Anzahl Spiele, in ihren Reihen. Olten ist ein probater Meisterkandidat.

Er ist derzeit der beste Keeper der Swiss League: Philip Wüthrich (rechts).

SC Langenthal: Ein Torhüter, der den Meistertitel «klauen» kann
Beim 6:0 in Kloten haben die Langenthaler – und vor allem Philip Wüthrich – den Sieg gestohlen. Kloten schoss insgesamt 47 Mal aufs Tor, Langenthal nur 28 Mal. Ab einer Negativ-Differenz von 10 Schüssen gegen den Sieger spricht man von einem «Stolen win», einem gestohlenen Sieg. Gleiches passierte übrigens auch in der fünften Partie, dem entscheidenden 4:1-Sieg der Oberaargauer. Es unterstreicht, wie stark Youngster Philip Wüthrich im Tor arbeitet. Wenig überraschend reissen die Lobeshymnen über den 21-Jährigen auch nicht ab. Wie einst Marc Eichmann im Jahr 2012 kann auch Philip Wüthrich sein Team zum Meistertitel hexen. Und wenn es sein muss, diesen sogar «stehlen».
Alleine auf ihn ist der bisherige Erfolg des SCL aber nicht zurückzuführen. Langenthal hat mit einer Erfolgsquote von über 96 Prozent das beste Boxplay bewiesen, die Erfolgsquote im Powerplay ist mit fast 21 Prozent ansehnlich. Dass Olten und Langenthal in den bisherigen Spielen aber eher wenig Strafen kassierten, wird die Affiche dennoch spannend machen, weil starke Special-Teams dadurch noch entscheidender werden. Mit einem starken Torhüter und überzeugenden Special Teams kann man Meister werden, das gilt für Olten und Langenthal. Etwas ist und bleibt in diesem Duell interessant: Seit dem Wiederaufstieg hat Langenthal noch keine Playoff-Serie gegen Olten gewinnen können. Dafür wäre die Zeit nun gekommen.

Wem geht der Strom im Halbfinale aus? Olten oder Langenthal?

Letzte These: Wer wird Meister? Der Sieger des Mittelland-Derbys!
Nach dem Abschied des HC Ajoie ist mein eigentlicher Meistertipp futsch – kläglich gescheitert, so schnell kann’s gehen. Ein zweites Mal lasse ich mich deshalb nicht mehr so weit auf die Äste heraus und formuliere ein entweder oder. Dieses trifft Langenthal und Olten. Jene Mannschaft, die sich im Mittelland-Derby durchsetzt, wird Meister. Wieso? La Chaux-de-Fonds ist zwar eine starke Mannschaft, sie verfügt jedoch über keinen Meistertorhüter. Weil das Team nicht überragend aufgestellt ist, wäre ein solcher aber nötig. Thurgau ist schlicht zu wenig gut. Mit einem immensen Kraftakt haben sie den Viertelfinal überstanden, dass ein zweiter solcher Kraftakt gelingt ist schon sehr unwahrscheinlich, ein dritter kaum realisierbar. Egal wer sich in diesem Duell durchsetzt, die Chance ist gross, dass er im Finale dann scheitert.
Olten oder Langenthal? Möglich ist in diesem Duell alles. Olten hat die offensive Power um Meister zu werden, Langenthal glänzt in der Defensive mit meisterlicher Taktik und Stabilität. Es wird ein Duell auf Augenhöhe sein, bei dem entscheidend ist, wer seinem Gegner zu viel Raum für dessen System einräumt. Lässt Langenthal ein wildes hin und her zu, wird es verlieren. Kann Olten dem SCL dieses Spiel nicht aufzwingen, wird der EHCO im kontrollierten, emotionslosen Duell den Kürzeren ziehen. Und weil Olten auf Spektakel und Emotionen angewiesen ist, dürfen die Zuschauer auf dieses zweifellos hoffen.

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