Kurmann: «Schwalben sind ein grosses Thema»

Während des MAZ-Kurses „Sportberichterstattung – Wie wir alle gewinnen“ hatte ich die Möglichkeit, ein Interview mit Danny Kurmann, Profi-Eishockeyschiedsrichter, zu führen. Ich habe mit ihm über Zeitungskritik, das Vier-Mann-System und schwierige Trainer gesprochen.

Das Eishockey steht in der entscheidenden Phase – da ist es irgendwie fast logisch, dass auch die Referees im Mittelpunkt stehen. Kritiken sind auch in Zeitungen weit verbreitet. Wie gehen Sie damit um?

Kurmann: Ich lese Zeitungen. Diese sind eine Art Supervisor. Sie berichten über meine Arbeit und da kann konstruktive Kritik positiv sein. Auch Fan-Kommentare, wenn sie nicht emotional aber fair sind, können gut für mich sein. Die Aussenwahrnehmung ist eine andere Sicht auf die Geschehnisse und die kann mir bei einer anderen Situation helfen. Und so kenne ich auch ein paar Journalisten, deren Fachwissen ich als gross einschätze. Und wenn sie mich kritisieren, dann schaue ich mir das auch an.

Aber mit allen Kritiken dürften Sie nicht zufrieden sein, oder?

Kurmann: Es ist wichtig, die richtigen Zeitungen und auch Online-Medien anzuschauen. Aber es ist klar: Es ist doch viel interessanter, wenn man den Schiedsrichter in der Zeitung kritisieren kann. Ich habe noch kaum einen Artikel gelesen, in welchem der Schiedsrichter gelobt wurde.

Woran liegt das?

Kurmann: Eishockey ist und soll Unterhaltung sein. Das ist ein Spiel. Auch wenn das viele nicht gern hören bin ich Teil einer Show. Dort sind wir meist nur im Scheinwerferlicht, wenn etwas Negatives passiert. Aber das gehört dazu. Es ist eben nicht interessant, wenn der Referee gut war. Das ist unser gesellschaftliches Denken.

In dieser Show gibt es auch viele Emotionen. Da muss man sich als Schiedsrichter einiges anhören…

Kurmann: Das stimmt. Aber Beleidigungen und Bedrohungen sollten nicht dazu gehören. Ich verstehe, wenn es Kritik gibt. Es ist emotional. Und das wir nicht immer dieselbe Meinung haben, ist selbstverständlich. Auch in diesem Moment ist konstruktive Kritik sehr gut. Aber emotionale oder aggressive Kritik bringt nichts. Nehmen wir den SCB-Captain Martin Plüss. Er motzt nie. Wenn er aber etwas sagt, nehmen wir das wahr. Wenn einer aber ständig ausruft, wird dieser Kritiker weniger ernst genommen und dann muss er entsprechend den Regeln und der Situation mit einer Strafe rechnen.

1_RYL0200_webSie sind bekannt als Schiedsrichter, der in Sachen Fouls eher mehr durchgehen lässt als andere. Wie sieht es mit solchen Provokationen aus?

Kurmann: Ich lasse nicht bewusst mehr Fouls durchgehen, ich beurteile vielleicht gewisse Situationen leicht anders. Das kommt immer sehr stark auf die Situation an. Entscheidend ist auch, ob sich der Spieler oder Trainer nur an mich wendet, oder ob mehr betroffen sind. Wenn einer fuchtelt und mit stürmischen Gesten die Fans aufhetzt, dann muss ich reagieren. Sonst sagen sofort alle, dass ich nicht reagiere, weil der Spieler im Recht ist. Wenn es aber ein Gespräch unter Vier Augen ist, dann kann ich auch mal mit Worten zurückgeben.

Wie sieht es da bei Trainern aus?

Kurmann: Die wissen, wenn sie wild gestikulieren, dass sie zuhause sofort von den Fans Unterstützung erhalten. Das wird dann auch mit purer Absicht gemacht und gezielt eingesetzt. Da braucht es dann eben ein bisschen Fingerspitzengefühl. Zugleich darf eine gewisse Grenze nicht überschritten werden. Es gilt: Eine Person die sich korrekt aufführt, soll keinen Nachteil erhalten, gegenüber einer Person die sich nicht korrekt aufführt.

Gerade in der Nationalliga B waren viele Trainer und Fans auch wegen dem Vier-Mann-System frustriert. Die gleiche Linie zu finden scheint für die Referees schwierig…

Kurmann: In der NLB haben die Clubs nun erkannt, dass das Vier-Mann-System gut ist. Denn ohne dieses System, könnten wir unsere Arbeit nicht mehr seriös machen. Nun müssen diese Schiedsrichter auf das Vier-Mann-System geschult werden. Und das lernen sie am besten in solchen Spielen wie den Playoffs. Sie brauchen diese Spiele um sich zu entwickeln. Die gleiche Kritik gab es zu Beginn auch in der NLA. Aber da ist ein wichtiger Prozess im Gange.

Wie lange dauert dieser Prozess?

Kurmann: In der nächsten Saison wird das schon viel weniger ein Thema sein.

Gerade in der NLB-Serie zwischen Langenthal und Langnau waren auch Schwalben oder gesuchte Fouls ein grosses Thema. Ist das auch im Eishockey zunehmend ein Problem?

Kurmann: Ich denke nicht, dass ein Spieler eine eigene Verletzung in Kauf nimmt, um ein Foul zu provozieren. Das grösste Problem sind die Kopfverletzungen. Das Tempo und die Wucht nehmen zu und da glaube ich nicht, dass ein Spieler den Kopf absichtlich etwas tiefer hält. Aber mit dem Thema, ein Foul vorzutäuschen, sind wir bei einem grossen Problem. Wir Schiedsrichter gehen davon aus, dass wenn ein Spieler liegen bleibt, dass irgendetwas ist. Wir gehen davon aus, dass die Spieler in diesem Belangen fair sind. Jetzt sieht man aber auch TV-Bildern, dass das nicht immer so ist.

Dann müsste man dieses Problem lösen, bevor sich das Eishockey dem Fussball nähert…

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Kurmann: In der NHL ist das bereits ein sehr grosses Thema. Dort werden die Spieler bewertet und diese Fakten werden veröffentlicht. Nach einer Schwalbe erhalten sie aufgrund von TV-Bildern im Nachhinein eine Verwarnung, bei der nächsten gibt es eine Busse. Auch in der Schweiz ist ein Projekt in Gang. Wir wollen, dass die Spieler, Trainer und Clubs helfen und die Verantwortung übernehmen, diese Situation in den Griff zu bekommen. Denn jeder ärgert sich über die Schwalben des Gegners. Also soll jeder zuerst in seinem Team schauen, dass es das nicht gibt. Denn das ist nicht nur das Problem des Schiedsrichters.

Apropos Fussball – sie sind 49 Jahre alt. Werden sie nach ihrer Karriere Fussball-Referee (Anmerkung: Kurmann besuchte Fussball-Schiedsrichterkurse und diskutiert immer wieder mit Fussball-Schiedsrichtern)

Kurmann: Aktuell habe ich noch einen Vertrag für die nächste Saison. Was ich in zwei oder drei Jahren tun werde, weiss ich noch nicht. Aktuell habe ich den Plausch und fühle mich fit. Solange ich die Fitness-Tests erfülle, habe ich es selber in der Hand weiter zu machen oder aufzuhören. Nach meiner Schiedsrichter-Karriere wäre es schön, dem Sport treu zu bleiben. Und das muss nicht unbedingt im Eishockey sein.

 

Zur Person

Danny Kurmann (49) ist seit 1997 Schweizer Profi-Eishockeyschiedsrichter, seit 1993 ist er als Hauptschiedsrichter in der Nationalliga A tätig. In seiner Zeit als Profi-Schiedsrichter wurde er an zehn verschiedenen Eishockeyweltmeisterschaften und drei Olympischen Spiele eingesetzt, daneben war er an Junioren-Weltmeisterschaften und an zahlreichen Spengler Cups als Schiedsrichter im Einsatz. Bei der WM 1999 pfiff er die beiden Finalspiele zwischen Tschechien und Finnland.

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